Das Thema Pflege kommt in den letzten Monaten nicht mehr aus den Schlagzeilen. Von einer Pflegekrise ist oft die Rede. NGOs fordern die Umsetzung der vielen innovativen Konzepte, die der Regierung vorliegen, sowie eine monetäre und damit gesellschaftliche Anerkennung der schweren Pflegearbeit. Dass man Pflege neu denken kann und muss, zeigt auch ein inspirierendes und Mut machendes Beispiel aus Dänemark.
Die Demenzhilfe Österreich lud vergangenen Oktober zu einem cineastischen Abend rund ums Thema Pflege ins Wiener Filmcasino. Anlass war die Premiere des dänischen Dokumentarfilms „Mitgefühl“. Regisseurin Louise Detlefsen bietet darin einen empathischen Einblick in den Alltag des ganz und gar außergewöhnlichen Pflegeheims Dagmarsminde. Hier leben demenzkranke Menschen in einer Wohngemeinschaft, umgeben von farbenfrohen Bildern an den Wänden und frischen Schnittblumen auf den Tischen. Die liebevolle Einrichtung strahlt Gemütlichkeit ganz im skandinavischen Hyggestil aus – ein Bild, das stark abweicht von den gängigen Vorstellungen rund um die Heimpflege. Auch die Behandlungsmethode ist bemerkenswert, denn in Dagmarsminde wird auf „Umsorgung“ gesetzt, auf Gespräche, Berührungen, Zeit in der Natur und gemeinsames Feiern. Kuchen und Sekt werden hier ganz großgeschrieben, auch wenn die BewohnerInnen schnell wieder vergessen, worauf sie überhaupt angestoßen haben. Im Zentrum stehen Wohlbefinden und Gemeinschaft.
„Mitgefühl“ ist ein Film, der trotz ruhiger Töne, keinen Hehl aus seiner Kernbotschaft macht. Es wird Zeit, Pflege neu zu denken, um Betroffenen einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen. Eine Botschaft, die auch in der anschließenden von Teresa Millner-Kurzbauer (Demenzhilfe Österreich) moderierten Podiumsdiskussion immer wieder aufgegriffen wurde. So zeigte sich Angela Pototschnigg von Alzheimer Austria als selbst Betroffene von der Methode der „Umsorgung“ sehr beeindruckt: „Ich habe nie gewagt zu denken, dass das Ende so schön sein kann (…) Ich habe mir bei dem Film gedacht, wie viele Medikamente würde man sich ersparen, wenn man diese Schiene gehen würde.“ Andrea Stöckel, Fachexpertin für Demenz beim Roten Kreuz, betonte die Wichtigkeit von Empathie in der Kommunikation mit Betroffenen. Es solle vielmehr um „Beziehung statt Erziehung“ gehen und darum „die Welt aus den Augen des oder der Erkrankten zu sehen und mit diesen Menschen in eine Richtung zu schauen“.
Die alltäglichen Herausforderungen in Zusammenhang mit der Diagnose Demenz führen oftmals zu einem Rückzug. Gesellschaftspolitischer Einsatz ist hier gefragt. „Wir müssen Lebensqualität schaffen, wir müssen Stressfaktoren für Erkrankte reduzieren“, stellte Peter Willroider vom Fonds Soziales Wien klar. Er wies ebenso auf Erfolge in der Stadt hin wie z.B. die Plattform „Demenzfreundliches Wien“, der sich ein Großteil der Wiener Bezirke bereits angeschlossen haben. Dieser Trend zeigt deutlich, dass die Bereitschaft Pflege neu zu denken, auch hierzulande groß ist. Der Weg zur Umsetzung der vielen innovativen Konzepte und Ideen im Bereich Pflege ist aber immer noch ein weiter.
15. Dezember 2021