Volkshilfe-Umfrage unter pflegenden Angehörigen: Ein Gefühl der Dauersorge

Volkshilfe-Umfrage unter pflegenden Angehörigen

„Ein Gefühl der Dauersorge“

Die Volkshilfe hat im April und Mai eine Umfrage unter 100 armutsbetroffenen pflegenden Angehörigen von an Demenz erkrankten Menschen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Verschlechterung der Lage bei der Pflege zu Hause und stellen der Arbeit der Bundesregierung kein gutes Zeugnis aus. Fast die Hälfte der Befragten beurteilt sie negativ.

 

„Die Stimmen der Betroffenen, machen es deutlich: Die Rahmenbedingungen in der Pflege müssen sich endlich ändern und die Regierung muss vom Reden ins Tun kommen. Es gibt die 64 Maßnahmenpakete der Taskforce Pflege. Sie müssen jetzt endlich umgesetzt werden. Daher muss die Zielsteuerungskommission transparent und rasch arbeiten, und es müssen alle Player an einen Tisch. Vor allem die Personalsituation duldet keine weiteren Verzögerungen mehr“, fordert Ewald Sacher, Präsident der Volkshilfe Österreich. 

Betreuung ist für zwei Drittel der Befragten aufwändiger geworden

Gefragt, ob die Betreuung bzw. Pflege durch Corona für sie aufwändiger wurde, antworteten fast zwei Drittel mit Ja (61%). Für mehr als ein Drittel (35%) sind es jetzt 1 bis 2 Stunden mehr Aufwand pro Tag. Für 14% sind es sogar bis zu 4 Stunden zusätzlich. Hier wird deutlich, wie sehr das System Pflege schon vor der Corona-Krise vom persönlichen Engagement abhängig war – Familie und Freunde sind jetzt als Entlastung weggefallen, wie wir in der Umfrage sehen – und wie wenig flexible Pflegemodelle es gibt, die ein gutes Leben daheim möglich machen.

Abfall an Lebensqualität durch Mehrbelastung in der Pflege zu Hause 

Vergleicht man die Angaben zur Lebensqualität vor und nach Corona, fiel die Zufriedenheit in Schulnoten von durchschnittlich 1 bis 2 auf 3 bis 4. Der Verlust an Lebensqualität betrifft in einer Pandemie zwar alle Menschen, der Zusammenhang mit den Aufgaben als Pflegende wird aber doch deutlich: 7 von 10 Angehörigen (67%) sprechen von körperlichen oder emotionalen Herausforderungen im Rahmen der Pflege durch Corona.

Der Verlust an Lebensqualität betrifft in einer Pandemie zwar alle Menschen, der Zusammenhang mit den Aufgaben als Pflegende wird aber doch deutlich: 8 von 10 Angehörigen (81%) sagen Corona hat sich auf die Pflege ausgewirkt. 28% sprechen sogar von „starken“ Auswirkungen.

Zufriedenheit mit der Corona-Politik

Fast die Hälfte beurteilt Arbeit der Regierung negativ: 44% der Befragten beurteilen die Arbeit der Regierung im Bereich Pflege als negativ, also mit einem Vierer oder Fünfer. Nur eine Befragte vergab ein Sehr Gut. Nachgefragt, sagt die Mehrheit, sie fühle sich im Stich gelassen. Viele wünschen sich ein breiteres Angebot an Pflege und finden es bedauernswert, dass Pflege zu wenig Unterstützung vom Staat bekommt.

Fehlende Entlastung

Gefragt, welche unterstützenden Maßnahmen die Angehörigen seit der Corona-Krise nicht mehr oder seltener in Anspruch nehmen, zeigt sich folgendes Bild: Der Großteil sagt, dass die Unterstützung durch Familienmitglieder (37%) und Freunde fehlt (41%). Aber auch Services wie Tageszentrum (14%), mobiler Pflegedienst (9%), Heimhilfe (7%), 24-Stunden-Betreuung (5%) und diverse Therapien (4 bis 9%) wurden nicht oder weniger in Anspruch genommen.

Hier wird deutlich, wie sehr das System Pflege schon vor der Corona-Krise vom persönlichen Engagement abhängig ist & wie wenig flexible Pflegemodelle es gibt, die ein gutes Leben daheim möglich machen.

Was muss jetzt passieren? 

„Akut befürchten wir zahlreiche Pflege-Aussteiger*innen. Die dauerhafte Überforderung ist so enorm, dass viele Mitarbeiter*innen aus Verantwortungsgefühl sagen, bis zum Ende der Pandemie halten sie noch durch, aber dann werden sie sich eine weniger belastende Tätigkeit suchen“, stellt Fenninger fest. 

„Wir brauchen sofort die komplette Übernahme der Ausbildungs- und Lebenserhaltungskosten, um mehr Menschen in die Ausbildung zu bringen. Wir brauchen bessere Personalschlüssel sowohl im stationären als auch im mobilen Bereich, das heißt mehr Geld für die Pflege. Und wir brauchen den lang geforderten Ausbau der mobilen Pflege, der mehrstündigen Alltagsbegleitung und von teilstationären Einrichtungen. Damit die Unterstützung pflegender Angehöriger nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, die Unterstützung für das Pflegepersonal nicht nur aus Klatschen besteht. Jetzt müssen endlich Taten folgen.“, so Fenninger.    

„Für die Zukunft müssen bessere staatliche Pflegekonzepte geschaffen werden“, sagt eine pflegende Tochter und bringt es damit auf den Punkt, stellen Präsident Sacher und Direktor Fenninger abschließend fest.

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11. Mai 2021