Wie geht es Pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz?

Wie geht es pflegenden Angehörigen von an Demenz erkrankten Menschen aktuell? Hat sich ihre Lage im letzten Jahr verschlechtert? Und wie denken sie über die Regierungsarbeit im Bereich Pflege?

Diese und weitere Fragen hat die Volkshilfe in einer österreichweiten Online-Umfrage 500 pflegenden Angehörigen gestellt. 57% der Befragten betreuen jemanden, der an Demenz erkrankt ist.

Angehörige von an Demenz erkrankten Menschen sind eine Gruppe, die immer noch im Schatten steht und zu wenig beachtet wird. Um diese Zielgruppe mit unserer Umfrage zu erreichen, haben wir folgende Multiplikator*innen genutzt:

Selbsthilfegruppen auf Social Media, Hausärzt*innen, Apothekenkammer, Veranstaltungen (Vergissmeinnichtball, Demenzfreundliche Gemeinde), Adressen aus dem Demenzhilfe-Fonds Österreich und unsere Demenzhilfe-Mitarbeiter*innen in den Bundesländern, die Beratungen machen.

Somit konnten wir österreichweit eine gute Streuung erzielen. Die Ergebnisse der Umfrage geben daher eine guten aktuellen Einblick in die Herausforderungen von Pflege bei Demenz und in eine Gruppe, die sonst unterrepräsentiert ist in Studien.

Kinder oder Ehepartner sind die am häufigsten Pflegenden

Viele tragen Last der Pflege allein

Rund 40% der Befragten pflegt ihre an Demenz erkrankten Angehörigen allein. Bei der Gruppe ohne Demenzhintergrund sind es sogar 43%. Wie wir aus der Forschung wissen, bleibt jenes Familienmitglied, das die Betreuung zu Beginn übernommen hat, mit dieser Aufgabe meist auch in Zukunft allein. Die körperlichen und seelischen Belastungen werden damit umso größer und schädigen auch mit der Zeit.

Jene Befragten, die Unterstützung durch professionelles Pflegepersonal angeben (60% jener, die sich die Pflegeaufgaben teilen), antwortet bei der Frage nach den Herausforderungen, dass es für sie nicht ausreichend professionelle Angebote für stundenweise Entlastung gibt.

 

Herausforderung Berufstätigkeit und Pflege

Fast die Hälfte der Befragten (49%) gibt an, neben der Pflege auch berufstätig zu sein. Ein Viertel in Teilzeit, der Rest sogar in Vollzeit. Eine enorme Herausforderung.

 

Herausforderung Berufstätigkeit und Pflege

Auf die Frage, ob sie ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben oder den Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für die Pflege zu haben, antwortet jede/r Dritte mit Ja (36%). Eine hohe Zahl, die mitverantwortlich dafür ist, dass sich pflegende Angehörige oft
in einer finanziell prekären Lage wiederfinden.

Für 8 von 10 pflegenden Angehörigen reicht das Geld nicht oder nur knapp

Während Dreiviertel der Befragten (76%) angeben, gut haushalten zu müssen, reicht das Geld für jede*n 11. Befragte*n gar nicht aus. Das zeigt: Für die meisten pflegenden Angehörigen gehört ein genaues Monitoring ihrer Ausgaben zum Alltag. Eine immense emotionale Belastung, die zu der ohnehin anstrengenden Pflege hinzutritt.

Für mehr als die Hälfte hat sich die finanzielle Situation verschlechtert

Für mehr als die Hälfte der Befragten (57%) hat sich die finanzielle Situation im letzten Jahr verschlechtert. Für den Großteil ist das eine Folge der Inflation.

Für mehr als die Hälfte hat sich die finanzielle Situation verschlechtert

Für immerhin 15% hängt das auch mit der Reduktion der Arbeitszeit zugunsten der Pflege zusammen. 
Hier liegt der Prozentsatz bei der Gruppe mit Demenzhintergrund um 3,5% höher als bei der allgemeinen Gruppe.

Ausgaben für Pflege haben sich für große Mehrheit verteuert

Acht von 10 Befragten (80%) geben an,
dass sich die Ausgaben für die Pflege und Betreuung des Angehörigen im letzten Jahr verteuert haben.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Inflation ist das keine Überraschung, aber ein Warnsignal, dass es in diesem Bereich mehr finanzieller Unterstützung bedarf. 

Schlechte Einschätzung der finanziellen Zukunft

Ein Viertel der Befragten (26%) schätzt seine finanzielle Zukunft düster ein und beurteilt sie entsprechend nur mit einem Vier bis Fünf. Darin spiegelt sich deutlich die nicht ausreichende finanzielle Absicherung pflegender Angehöriger. In der allgemeinen Gruppe vergibt sogar jeder Dritte (29%) ein Vier bis Fünf.

Dreiviertel der Befragten benoten Regierungsarbeit mit 4 bis 5

Dreiviertel der Befragten (77%) benoten die derzeitigen Aktivitäten der Regierung im Pflegebereich mit einem Vier bis Fünf. Die Angehörigen von Menschen mit Demenz liegen hier 3% über der allgemeinen Gruppe. Nur 2% vergeben ein Sehr gut. Ein katastrophales Urteil und ein deutlicher Handlungsauftrag von den Betroffenen. 

Die Forderungen der Volkshilfe

Für pflegende Angehörige: 

  • Leistbare und flächendeckende Angebote zur Entlastung und psychosozialen Unterstützung von Angehörigen (z.B. Coachings, Beratungen, Urlaubsangebote für Erkrankte etc.)
  • Flächendeckender Ausbau besonders der mobilen Pflege, der mehrstündigen Alltagsbegleitung und von teilstationären Einrichtungen wie Tageszentren

Verbesserte Rahmenbedingungen: 

  • Mehr Personal in der Pflege, um die Angebote oben leisten zu können
  • Mehr Zeit für die professionelle Pflegearbeit je betreuter Person

Das heißt:

  • Besseren Personalschlüssel im stationären Bereich
  • Komplette Übernahme der Ausbildungs- und Lebenserhaltungskosten, um mehr Menschen in die Pflegeausbildung zu bringen
  • Entgelterhöhung, um Pflegeberufe attraktiver zu machen

16. September 2023

Das sagen die Angehörigen von Menschen mit Demenz

“Ausweglosigkeit. Als ob mein Leben nicht mehr gelebt werden darf.”

“Als pflegender Angehöriger ist man der Depp der Nation, es gibt kaum Zuwendungen bzw. Hilfen die wirklich was bringen. Eine Pflegereform ist sowieso dringend nötig.”

“Bin immer präsent.”