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Demenzberatung und -begleitung

Möglichkeiten und Grenzen

Im Sommer 2025 wurde der neue Demenzbericht 2025 veröffentlicht – ein wissenschaftlicher Bericht, der im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) herausgegeben wurde.

Der Bericht bietet einen umfassenden Überblick über die aktuelle Versorgungssituation, die Lebensrealitäten von Menschen mit Demenz und ihren An- und Zugehörigen sowie über Fortschritte und Herausforderungen seit der Einführung der nationalen Demenzstrategie „Gut leben mit Demenz“ im Jahr 2015.

Er beleuchtet zentrale Themen wie Früherkennung und Diagnostik, Prävention, medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlung, soziale Teilhabe, rechtliche Rahmenbedingungen, technologische Unterstützung und die Rolle pflegender Angehöriger. Auch internationale Entwicklungen und zukünftige Bedarfe finden Berücksichtigung.

Die Demenzhilfe der Volkshilfe hat sich mit einem eigenen Fachbeitrag zum Thema “Demenzberatung und -begleitung: Möglichkeiten und Grenzen” eingebracht. Darin beschäftigen sich Teresa Millner-Kurzbauer und Ann-Kathrin Ruf mit der Frage, wie Demenzberatung und -begleitung Menschen mit Demenz sowie ihren An- und Zugehörigen zur Seite stehen können – mit einem ganzheitlichen, ressourcenorientierten Ansatz, der sowohl fachliche Information als auch soziale und emotionale Unterstützung umfasst.

Hier der Beitrag unserer Kolleg*innen.

Den vollständigen Österreichischen Demenzbericht 2025 finden Sie unter dem Link in der Infobox rechts zum Download.

 

Demenzberatung und -begleitung: Möglichkeiten und Grenzen

Teresa Millner-Kurzbauer, Ann-Kathrin Ruf

Die Diagnose Demenz stellt für viele Menschen anfangs eine erhebliche Herausforderung dar. Häufig tauchen Unsicherheiten über die Krankheit und ihren Verlauf auf. Zudem stellt sich für eine Reihe von Betroffenen und ihren An- und Zugehörigen oft die Frage, wie es weitergehen soll. Viele Dinge müssen gemeinsam besprochen und, so gut es geht, geplant werden. Bereits vor einer medizinisch gesicherten Diagnose können Fragen auftreten, ob die allmählichen Verhaltensänderungen „normal“ sind oder ob eine ärztliche Abklärung ratsam wäre.

In solchen Situationen kann eine Beratung eine wertvolle Unterstützung bieten. Geschulte Berater:innen beantworten Fragen und geben wichtige Informationen zur Demenzerkrankung. Sie erklären den Verlauf einer Demenz und zeigen Möglichkeiten auf, diesen zu verlangsamen, zum Beispiel durch kognitive Trainings oder Therapien (Supprian 2010). Nicht nur Menschen mit Demenz, sondern auch ihre Angehörigen profitieren von diesem Beratungsangebot: Demenzberater:innen informieren weiters über Pflege- und Betreuungsangebote sowie über die häusliche Pflege. Zudem beantworten sie wichtige Fragen zu Pflegegeld und anderen finanziellen Unterstützungs- und Entlastungsangeboten für Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen durch Bund und Länder. Das Ziel der Demenzberatungen ist es, Betroffene und ihre An- und Zugehörigen bei der Bewältigung der Herausforderungen, die mit einer Demenz einhergehen, zu unterstützen und zu begleiten, um ein möglichst selbstbestimmtes und würdevolles Leben zu ermöglichen. Zusätzlich zur Beratung kann die Begleitung von Menschen mit Demenz eine wertvolle Unterstützung bieten. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Alltagsbegleitung der Betroffenen.

Gemeinsame Aktivitäten können dazu beitragen, den Fortschritt der Demenz zu verlangsamen und die Lebensqualität zu verbessern. Der Austausch mit der alltagsbegleitenden Person stellt außerdem eine wichtige soziale Verbindung dar und hilft, Einsamkeit vorzubeugen. Im Folgenden werden die Demenzberatung und -begleitung sowie der Ansatz der integrativen Beratung bzw. Betreuung näher erläutert.

 

Integrative und ganzheitliche Beratung und Begleitung in der Praxis

Demenzberatungen und -begleitungen verlaufen integrativ, das heißt, dass der Mensch in seiner Ganzheit betrachtet wird. Körper und Seele als Einheit zu sehen, ist dabei eine wichtige Grundvoraussetzung (Egger 2020). Anstatt den Fokus ausschließlich auf die Demenz zu richten und andere Aspekte zu vernachlässigen, zielt der integrative Ansatz drauf ab, alle Lebensbereiche der betroffenen Person in die Beratung und/oder Begleitung einzubeziehen. Dabei wird die Person in ihrer ganzen Komplexität wahrgenommen und unterstützt. Individuelle Wünsche sowie das soziale Umfeld, vorhandene Ressourcen, Fähigkeiten, mögliche Spiritualität und alle anderen für die Person wichtigen Aspekte werden berücksichtigt (Wetzstein 2005).

Die ganzheitliche Beratung umfasst eine breit angelegte Einordnung der individuellen Situation der Person mit Demenz, die Entwicklung eines persönlichen Unterstützungsplans unter Einbeziehung des sozialen Umfelds, die Bereitstellung von Informationen zu verschiedenen Pflege- und Unterstützungsmöglichkeiten, emotionale Unterstützung, die Förderung sozialer Kontakte sowie die Beratung zu rechtlichen und finanziellen Fragen. Jedes Beratungsgespräch folgt einem einzigartigen Muster und behandelt spezifische Themen, um eine individuelle und maßgeschneiderte Unterstützung zu gewährleisten.

Die Volkshilfe bietet – wie auch andere Organisationen – in ganz Österreich Beratungen für Menschen mit Demenz sowie deren pflegende An- und Zugehörige an. Die Einbeziehung von An- und Zugehörigen hat sich als unverzichtbar erwiesen, da sie die Hauptbetreuungsperson(en) sind und die Betroffenen im Alltag begleiten und unterstützen. Darüber hinaus übernehmen sie wichtige organisatorische Aufgaben, die der Mensch mit Demenz nicht selbst bewältigen kann oder möchte: die Organisation professioneller Pflege und Betreuung, die Beantragung von Pflegegeld und anderen staatlichen sowie regionalen Unterstützungsangeboten, die Koordination von Arztterminen,

Selbsthilfegruppen oder Gedächtnistrainings und viele weitere anfallende Aufgaben und Aktivitäten, die geplant werden müssen. Neben den Bedürfnissen der Person mit Demenz stehen daher auch die Bedürfnisse der An- und Zugehörigen im Mittelpunkt der Beratung. Dies dient nicht zuletzt dazu, pflegende Angehörige zu entlasten und zu unterstützen, um einem Burnout vorzubeugen (Tatzer et al. 2020).

Die zentrale Rolle pflegender Angehöriger wird auch durch eine Auswertung der Demenzberatungen der Volkshilfe deutlich: 85 Prozent der Ratsuchenden waren Angehörige. Bewältigungsstrategien für Angehörige wurden daher in 67 Prozent der Beratungen thematisiert, gefolgt von Unterstützungsangeboten bei Demenz (57 %) und sonstigen Unterstützungsangeboten (42 %), die meist von Angehörigen in Anspruch genommen werden. Die Demenzerkrankung selbst wurde in einem Drittel aller Beratungsgespräche thematisiert (31 %), während Möglichkeiten sozialer Teilhabe in 24 Prozent und die Diagnostizierung einer Demenz in 22 Prozent der Gespräche besprochen wurden. 

Abbildung: Prozentuale Verteilung der Gesprächsinhalte in der Volkshilfe-Beratung mit Menschen mit Demenz ihren An- und Zugehörigen 2023

Beratungsgespräche können bei der Person mit Demenz bzw. ihren Angehörigen zu Hause, im Büro der Beratungsorganisation oder an einem neutralen Ort wie einem Kaffeehaus oder im Park stattfinden. Erfahrungen zeigen, dass Treffen auf „neutralem Boden“ manchen Personen leichter fallen. Ein Kaffeehaus bietet im Vergleich zum Büro der Beratungsorganisation ein größeres Gefühl von Anonymität. Dies ist besonders wichtig, wenn die Person mit Demenz oder ihre Angehörigen unter dem vermeintlichen Stigma der Demenzerkrankung leiden. Die Wahl des Ortes kann daher einen niedrigschwelligen Einstieg in das Beratungsgespräch ermöglichen und die Auseinandersetzung mit der Diagnose Demenz erleichtern.

 

Unterschied zwischen Beratung und Begleitung?

Beratung und Begleitung spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren An- und Zugehörigen und sollten idealerweise Hand in Hand gehen. Während die Beratung hauptsächlich Wissen über Demenz sowie Pflege- und Betreuungsangebote vermittelt,

konzentriert sich die Begleitung auf die emotionale und mentale Unterstützung. Ein wesentlicher Unterschied liegt im Zeitfaktor: Um die Fragen zu beantworten, mit denen Personen mit Demenz und ihre Angehörigen zur Beratung kommen, sind in der Regel ein bis zwei Gespräche ausreichend. Für die emotionale Begleitung und das Gefühl dauerhafter Unterstützung sind hingegen regelmäßige Treffen vorteilhaft. Dies ist besonders wichtig, wenn die Begleitung einen bedeutenden sozialen Kontakt für die Person mit Demenz darstellt, Übungen zum Gedächtnistraining durchführt oder zu körperlichen Aktivitäten motiviert. Dadurch erhalten auch die pflegenden Angehörigen eine wertvolle Auszeit im Alltag.

 

Berufsgruppen für eine ganzheitliche Begleitung von Menschen mit Demenz

Um die Integrativität von Beratung und Betreuung sicherzustellen und den Menschen in seiner Gesamtheit zu betrachten, ist die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen erforderlich, um möglichst viele unterschiedliche Lebensbereiche abzudecken. 

Die Diagnose Demenz wird stets von einer Ärztin oder einem Arzt gestellt, die oder der die in den Bereichen Neurologie, Psychiatrie oder an gerontopsychiatrischen Zentren, Memory-Kliniken oder Gedächtnisambulanzen arbeiten. Die diagnostizierenden Fachärztinnen und Fachärzte sind die ersten Ansprechpartner:innen für Fragen, die unmittelbar vor, während oder nach der Diagnose auftreten. Sie können die Krankheit und ihren Verlauf erklären und etwaige beobachtete Verhaltensänderungen einordnen. Auch die Hausärztin bzw. der Hausarzt spielt eine wichtige Rolle, da sie bzw. er den Menschen mit Demenz meist schon seit vielen Jahren kennt und ein Vertrauensverhältnis besteht. Beratungsgespräche werden in der Regel von diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegekräften (DGKP) durchgeführt, können aber auch von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, klinischen Psychologinnen und Psychologen oder anderen Fachkräften abgehalten werden. Es kann sinnvoll sein, sich von verschiedenen Fachleuten beraten zu lassen, um umfassende Informationen zu erhalten. Demenzberater:innen verweisen auf Kolleginnen und Kollegen, wenn sie bestimmte Themenbereiche selbst nicht abdecken können.

Seit einigen Jahren gibt es zudem Aus- und Weiterbildungen zur Demenzbegleitung oder zum Demenztraining, für die grundsätzlich keine Vorkenntnisse erforderlich sind. Dadurch bieten inzwischen auch viele Selbstständige in ganz Österreich Demenzbegleitung und -training an. Es hat sich gezeigt, dass das Ziel der Ganzheitlichkeit in der Demenzberatung und -begleitung am besten erreicht wird, wenn verschiedene Berufsgruppen zusammenarbeiten und sich mit ihrer Expertise, ihrem Fachwissen und ihrem jeweiligen Fokus ergänzen. So kann sowohl den Menschen mit Demenz als auch ihren An- und Zugehörigen umfassendes Wissen und Sicherheit vermittelt werden. Denn auch mit Demenz ist es möglich, ein gutes, vielfältiges und erfüllendes Leben zu führen.

 

Faktenbox:

Aufgaben der Demenzberatung sind die Aufklärung über Demenz allgemein, den Verlauf und Therapiemöglichkeiten. Außerdem bietet sie Unterstützung bei der Planung der Betreuung und Pflege und informiert über Pflegegeld und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten. 

Die Demenzberatung verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und bezieht alle Lebensbereiche sowie das soziale Umfeld mit ein. Dabei berücksichtigt sie individuelle Wünsche, Ressourcen und Bedürfnisse. Die Beratung erfolgt durch Fachkräfte (z. B. diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte oder psychologische Fachkräfte)

Demenzbegleitung fokussiert auf Alltagsbegleitung und soziale Aktivitäten zur Verbesserung der Lebensqualität. Regelmäßige Treffen helfen, den Fortschritt der Krankheit zu verlangsamen und Einsamkeit zu verhindern. Außerdem bietet sie emotionale und soziale Unterstützung für die Betroffenen und ihre An- und Zugehörigen.

 

© GÖG 2025, Österreichischer Demenzbericht 2025